Neid und Vorurteil
Die Termiten – Plattform für Kritische Sozialarbeit in Tirol – werden sich im Rahmen der nächsten Veranstaltungs-reihe mit dem Themenschwerpunkt Neid und Vorurteil auseinandersetzen.
Der deutsche Soziologe Stephan Lessenich stellt fest: Was die durchschnittliche Bürgerin _ den durchschnittlichen Bürger der Aktivgesellschaft bewegt, ist weniger die „Angst vor dem Abstieg“ als vielmehr die Angst vor dem „unverdienten“ Aufstieg anderer. Zu den „Anderen“ der Leistungsgesellschaft gehören daher nicht nur Geflüchtete oder Zuwandernde, sondern auch Erwerbs- und Wohnungslose, Pflegebedürftige und Behinderte. Auf die wahrgenommene Kränkung durch „leistungslose“ Inanspruchnahmen des wirtschaftlichen Wertprodukts reagieren die als „Leistungsträger“ angerufenen Etablierten mit Abschottung und Ausgrenzung, Hass und Gewalt.
Wohlhabende, Besserverdienende und Reiche fühlen sich von rechten Bewegungen genauso angezogen wie die vom sozialen Abstieg bedrohten Mittelschichtangehörigen und die von Erwerbslosigkeit betroffenen Modernisierungsverlierer. Für beide Zielgruppen bieten Rechtspopulisten unterschiedliche ideologische Zugänge: Während sich deutsche Angestellte, Selbstständige und Freiberufler_innen gegen soziale Aufsteiger_innen, unangepasste Mitbewerber _innen und ehrgeizige Migrant_innen wehren, die angeblich nicht so fleißig sind wie sie, fürchten einheimische Unterschichtangehörige die Konkurrenz der Zuwanderer auf dem Arbeits-, Wohnungs- und Heiratsmarkt.
Heute sind die Aufstiegskanäle der Gesellschaft für viele Kleinbürger_innen so verstopft, dass deren sozialer Absturz wahrscheinlicher wird. Umso energischer wenden sich Teile der Mittelschicht gegen „Faulenzer“, „Drückeberger“ und „Sozialschmarotzer“, seien es einheimische oder zugewanderte. (Christoph Butterwegge).
Martin Schenk schreibt in seinem neuen Buch *), dass der österreichische Sozialstaat lange als Garantie für Wohlstand und sozialen Aufstieg für weite Teile der Bevölkerung galt. Er ist davon überzeugt, dass es drei leitende Affekte in der Sozialdebatte gibt: Neid, Ohnmacht und Kränkung. Unter anderem führt das auch dazu, dass eine sachliche Debatte schwierig wird. „Neid impliziert ein Gefühl der Nähe und richtet sich gegen unsere Interessen. Es ist stets ein Instrument der Mächtigen, die damit von eigenen Themen ablenken wollen“, meint Schenk.
Angesichts des drohenden Sozialabbaus müssen wir Bündnisse eingehen und uns gemeinsam diesen Entwicklungen entgegenstellen!
*) Martin Schenk, Martin Schriebl-Rümmele. Genug gejammert! Warum wir gerade jetzt ein starkes soziales Netz brauchen. Ampuls Verlag 2017